Das Burggrafenamt hat eine Burgendichte wie nur wenige andere Gegenden in Europa. Was aber nicht alle wissen, dass der Name Burggrafenamt vom Burggraf herrührt und nicht von den vielen Burgen. Das Palais Mamming zeigt in seiner Ausstellung Burgansichten der letzten 200 Jahre. Die Ansichten, es sind Druckgrafiken und Zeichnungen, betreffen 30 verschiedene Burgen. Dabei ist auffallend, dass die Burgen erst im 19. Jahrhundert ein Motiv für Künstler und Künstlerinnen wurden. Natürlich darf in der Ausstellung die Burgenzeichnerin Johanna Isser Großrubatscher nicht fehlen, deren Einsatz wir die meisten Ansichten verdanken. Wir möchten aber auch die Erhaltungs- bzw. Restaurierungsproblematik der Burgen erläutern und haben zu diesem Zweck dasLandesdenkmalamt in die Ausstellung eingebunden.
DIE BURG

Wie definiert man eine Burg? Zwei wichtige Merkmale sind hervorzuheben: Die Wehrhaftigkeit und das Bewohnen. Mit der Entwicklung der Schusswaffen ab dem 15. Jahrhundert konnten Burgen keinen ausreichenden Schutz mehr bieten und übernahmen mehr repräsentative Funktionen und ab da sprechen wir eher von Schlössern. Burgen entwickeln sich ab dem 10. Jahrhundert aus Türmen. Im Mittelalter waren auch die Bezeichnungen hus, turn oder stein üblich, später Veste. Während die Abgrenzung vom Schloss noch leicht erscheint, ist die Unterscheidung von einem Ansitz schwieriger, denn viele Ansitze waren nicht nur Wohnsitz, sondern hatten auch einen wehrhaften Charakter.
BURGEN IM BURGGRAFENAMT

Im Burggrafenamt (der Name leitet sich vom Burggrafen und nicht von der Burg ab) zählt der Burgenatlas 144 Einträge. Da kann nur mehr der Kanton Bern mit 154 Einträgen mithalten. Nimmt man aber ganz Südtirol mit 771 Einträgen, sind selbst berühmte Gegenden wie die Loire-Schlösser mit 400 Einträgen weit abgeschlagen. In dieser Ausstellung zeigen wir Ihnen die Burgen des Burggrafenamtes mit Ausnahme von Schloss Tirol, das eine eigene Ausstellung dazu zeigt.
BURGEN ALS MOTIV

Unsere Burgen wurden bis ins frühe 19. Jahrhundert kaum dargestellt. Einzige Ausnahme bildet der Codex Brandis im frühen 17. Jahrhundert. Das gilt auch für Schloss Tirol, das sonst meist eine Sonderstellung hat. Die Burgen gewinnen erst im frühen 19. Jahrhundert als Motiv eine Bedeutung. Dafür sind zwei Faktoren entscheidend. Erstens Johann Winckelmann, der die Liebe zu den historischen Gebäuden weckt. Er war zwar auf die griechische Antike fixiert, doch seine Wirkung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zweitens die Romantik, die Ruinen und Burgen als Motiv entdeckt und sie in überwältigende Natur einbettet. Diese beeindruckenden Naturkulissen sollen die Vergänglichkeit vergegenwärtigen.
BURGENROMANTIK
Während Europa von Napoleon tyrannisiert wurde und der ganze Kontinent im Umbruch war, sehnte man sich zurück ins Mittelalter. Die Romantik verklärt das Mittelalter und macht es dadurch zum Sehnsuchtsort. Es mag daher nicht verwundern, dass die Burgen wiederentdeckt und so viele Zeichnungen und Drucke dieser Bauwerke angefertigt wurden wie nie zuvor. Die Höhenburg wird in der literarischen Frühromantik zum Symbol für Freiheit und nationale Eigenständigkeit. Typisch für die Darstellung dieser Zeit ist die Überbetonung der Natur wodurch der Mensch klein erscheint (oft auch als kleine Figur ins Bild eingefügt wird) und die Bauleistung angesichts dieser überwältigenden Natur noch mehr bewundert werden soll. Die häufige Fernsicht ist natürlich durch den Stadtort der Burgen bedingt, doch soll er auch das Bauwerk entrücken und so zur Projektionsfläche derromantischen Sehnsüchte machen.
SIND DIE DARSTELLUNGEN REALISTISCH?
Am Beispiel der Zenoburg, von der wir hier relativ viele Drucke zeigen, sieht man recht schön, wie die Ansichten ausgewählt wurden. Natürlich schränkt bei der Zenoburg die isolierte Position die Ansichten stark ein, trotzdem sind fast alle Ansichten aus der gleichen Perspektive angefertigt. Johanna Isser Großrubatscher und Ludwig Neelmeyer mit Ansichten nach Westen sind Ausnahmen. Bei manchen Drucken hat man das Gefühl, das Blatt wurde nur kopiert und der Künstler hat das Original gar nicht gesehen. Zum Beispiel der Druck von Thuile zeigt die Weinanlagen noch relativ realistisch zur Linken, während Armani die Reben bis an die Passer wachsen lässt und dahinter die Zenoburg auf eine „Felsinsel“ stellt. Bei allen Drucken ist die Burg nur Staffage für eine beeindruckende Landschaft. Bei manchen ist die Darstellung der Passer fast wichtiger wie die Burg. Die Burg ist meist realistisch abgebildet, wogegen die Landschaft öfter „verschönert“ wird. Einzige Ausnahme ist der Druck von Ferdinand Runk, der eine vermeintliche Ansicht von Schloss Tirol mit Zenoburg bezeichnet.
SAMMELDARSTELLUNGEN

Wir zeigen hier 10 Sammeldarstellungen von Burgen, es ist sicher nur eine kleine Auswahl der erschienen Ansichten. Viele wurden als Illustrationen für Zeitungen angefertigt oder verzieren Kalender. Auch als Motiv für Neujahrsentschuldigungskarten waren Burgen beliebt. Nicht zuletzt waren die Blätter Sammlerstücke oder einfach Urlaubserinnerungen.
JOHANNA ISSER GROSSRUBATSCHER – DIE BURGENZEICHNERIN
Über die Zeichnerin hat das Landesmuseum Schloss Tirol 2010 eine Ausstellung mit umfangreichem Katalog ausgerichtet, deshalb hier nur kurz ihr Leben. Sie wurde 1802 in Neustift geboren, wuchs aber in Meran auf. Sie lernte bei Josef Kapeller und beim Maler Markart (nicht Hans Makart). 1828 heiratet sie einen Johann Isser von Gaudententhurn, der Landrichter war. Ihren Mann begleitend lernte sie ganz Tirol und das Trentino kennen. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie sich nach Salzburg und Innsbruck zurück. Die Zeichnerin hatte es sich zur Aufgabe gemacht alle Burgen zu dokumentieren und die heute großteils im Landesmuseum Ferdinandeum und der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien verwahrten Blätter sind eine einmalige Dokumentation der Burgen im 19. Jahrhundert.
THOMAS ALLOM
Für die Veröffentlichung der Zeichnungen konnte Isser Großrubatscher auf den renommierten Architekten, Künstler und Landschaftszeichner Thomas Allom zurückgreifen. Er wurde 1804 nahe London geboren und verstarb dort 1872. Er hat mehrere Bücher mit Stichen von Tiroler Burgen nach Zeichnungen von Johanna Isser Großrubatscher veröffentlicht. Er war viel bereist und hat insgesamt mehr als ein Dutzend Bücher illustriert.
BÜCHER
Zum Thema Burgen im Burggrafenamt gibt es sehr viele Publikationen. Sie werden wie die Veduten im 19. Jahrhundert modern. Viele Bücher aus der Anfangszeit enthalten Originalstiche, was sie sehr wertvoll macht. Leider bringen die herausgetrennten Stiche, einzeln verkauft, viel mehr Geld als ein vollständiges Werk, deshalb wurden die Bücher meist zerstückelt und sind nur noch in Bibliotheken und bei Buchliebhabern zu finden. Das Standardwerk für die Burgen im Burggrafenamt ist nach wie vor das Tiroler Burgenbuch von Oswald Trapp auch wenn sein Erscheinen bereits 50 Jahre zurückliegt.
EIN HAUS WIRD ZUR BURG
Die Landesfürstliche Burg wurde Ende des 15. Jahrhundert ausgebaut und im späten 19. Jahrhundert restauriert. Sie ist ein Beispiel für die frühe Denkmalpflege in Tirol und ihren Umgang mit historischer Bausubstanz. Heute verzichtet die Denkmalpflege auf Rekonstruktionen und gestaltet Eingriffe so, dass alle Zeitschichten erhalten und Alt und Neu ablesbar bleiben. Vor 150 Jahren baute die Denkmalpflege auf einen angenommenen Urzustand zurück, entfernte alles, was ihr dazu nicht passend erschien, und ergänzte bauliche Elemente. Hier wurden zum Beispiel neues Mauerwerk und Zinnen so ergänzt, dass sie vom alten Bestand nicht zu unterscheiden waren. So wurde aus einem Fürstenhaus eine Burg, die der Vorstellung der Denkmalpfleger und Architekten von einer gotischen Burg entsprach.
