Aprilscherz der Nachweihnachtszeit

In der Tageszeitung Alto Adige äußert sich Landesrat Christian Bianchi in einem Interview zum „Disagio“ (Unbehagen) der Italiener, wobei seine Aussagen eher an einen Aprilscherz als an die Nachweihnachtszeit erinnern.Bianchi beschreibt, dass Italienischsprachige in Südtirol „weniger Möglichkeiten“ hätten und in Führungspositionen kaum vertreten seien, während die „italienische“ Wirtschaft zurückgeht und das Land sich abkapselt, was zu einer Abwanderung der Menschen führe, die sich „unerwünscht“ fühlen. Diese Analyse wird jedoch als politische Erzählung entlarvt, die viele Pauschalisierungen enthält und wichtigen Kontext zur Autonomie vermissen lässt.

Bianchi suggereert, dass das System gegen die italienische Sprachgruppe arbeitet, ignoriert jedoch, dass der ethnische Proporz als Machtteilungs- und Minderheitenschutzmechanismus dient. In einem größtenteils deutschsprachigen Gebiet ist weniger Beteiligung von Italienern in Führungspositionen eher eine Folge der Bevölkerungsstruktur. Kritiker müssten konkrete Regelverstöße belegen, was im Interview nicht geschieht, stattdessen wird Stimmung gemacht, während übersehen wird, dass der Proporz oft zugunsten der italienischen Sprachgruppe ausgelegt wird. Ein System zur Sicherung der Teilhabe wird fälschlicherweise als Problem dargestellt, um politische Agenden zu bedienen.

Die wirtschaftliche Argumentation ist schwach, da Bianchi einen Rückgang „italienischer Unternehmen“ anführt und die Bauwirtschaft als Beispiel nennt, jedoch Analyse durch Etikettierung ersetzt. Branchen verändern sich durch Faktoren wie Marktstruktur und Kapitalzugang und nicht durch ethnische Kategorien. Wer Strukturwandel in ein kulturelles Narrativ presst, schafft ein Feindbild anstelle von Lösungen.

Bianchis Aussage über die gegenseitige Unterstützung der Deutschsprachigen im Gegensatz zu den Italienischsprachigen fördert ein „Wir gegen sie“-Denken und delegiert eigene Mängel nach außen. Solche Aussagen sind politisch bequem, verschieben Verantwortung und normalisieren Misstrauen, was die fragile Einheit in Südtirol gefährdet.

eim Thema „Abschottung“ verfällt Bianchi in Dramatisierung. Er deutet die Diskussion über Sprachtests beziehungsweise Sprachstandserhebungen bei Kindern als Beleg dafür, Südtirol schließe sich, und spricht von Tests „für italienische und ausländische Kinder“, um das Deutschniveau zu prüfen. Damit macht er es sich bequem – denn er unterschlägt ausgerechnet jene Frage, die jede seriöse Debatte zuerst beantworten müsste: Warum wird über solche Maßnahmen überhaupt gesprochen?

Die zunehmende Einschreibung italienischer Kinder in deutsche Schulen erfolgt nicht aus Bosheit, sondern aus dem Wunsch der Eltern nach besseren Zukunftschancen. Diese Entwicklung führt jedoch dazu, dass Lehrkräfte ihre Ressourcen auf Sprachförderung konzentrieren müssen, statt auf den regulären Lernfortschritt. Kritiker, die dies als „Abschottung“ betrachten, übersehen, dass die deutsche Schule essenziell für den Erhalt der deutschen Minderheit ist. Zudem bleibt unklar, warum viele Italiener ihre Kinder in deutsche Schulen anmelden, obwohl die italienischen Schulen unter Druck stehen. Um die Qualität der italienischen Schulen zu verbessern, wäre ein Dialog über diese Problematik notwendig, anstatt Alarmismus zu schüren und Sprachförderung als Abgrenzung darzustellen. In einem mehrsprachigen Land ist die Förderung von Sprache entscheidend für die Teilhabe und den Erhalt von Minderheiten.

Das Interview thematisiert die Abwanderung von jungen Italienischsprachigen sowie Deutschsprachigen aus Südtirol. Bianchi behauptet, dass sich viele junge Italienischsprachige unerwünscht fühlen, während er auch erklärt, dass Deutschsprachige wegen besserer Einkommens- und Karrierechancen in angrenzende Länder abwandern. Die Reduzierung der Auswanderung auf fehlendes Italienisch wird als Ablenkung von realen wirtschaftlichen Problemen kritisiert.

Bianchi’s interview, zeigt, dass seine Politik von Identitätsthemen geprägt ist, die zwar politisch mobilisieren, aber wenig substanziellen Inhalt bieten. Er wurde als Spitzenkandidat der Lega in die Landesregierung berufen und wechselte später zur Forza Italia. Anstatt messbare Probleme wie Wohnen und Karrierechancen anzugehen, bietet er eine narrative, die im rechten politischen Spektrum Zustimmung findet, letztlich jedoch dem Land schadet und nicht zur Lösung von Konflikten beiträgt.

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